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Neben der Geldreform setzt sich die INWO für einen anderen Umgang mit dem Boden und den Naturressourcen ein. Die Idee der Bodenreform ist einfach: Die Erde wird als Erbteil der gesamten Menschheit angesehen. Der Einzelne kann den Boden nutzen, gegen laufendes Entgelt.

Die Einnahmen, die die Allgemeinheit dadurch hat, verteilt sie gleichmäßig pro Kopf der (Welt-) Bevölkerung zurück. Für den, der nicht mehr und nicht weniger Boden als der Durchschnitt seiner Zeitgenossen in Anspruch nimmt, ist dann dessen Nutzung im Ergebnis kostenlos bzw. kostenneutral. Das Nutzungsentgelt, das er bezahlt, entspricht dem Betrag, den er bei der Rückverteilung erhält. Damit ist das große Ziel der Bodenreformer, jedem Menschen bei aller Unterschiedlichkeit der Nutzung ein gleiches Recht an der Erde zu sichern, erreicht.

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wurde im deutschsprachigen Raum wie in den Vereinigten Staaten und anderswo die Idee einer Reform der Bodenordnung vertreten. Deren Grundgedanken, in zeitgemäße Formen übersetzt, können wegweisend sein für die Lösung zahlreicher Ressourcen-Probleme der Gegenwart. Im Folgenden werden diese Grundgedanken dargestellt.

 

Fritz Andres: Grundgedanken einer Bodenreform

Die Bodenreformer gingen u. a. von der erschütternden Einsicht aus, dass der Mensch bei seiner Geburt die Erde vergeben und verteilt vorfindet und daher zum Überleben – wie ein Fremder – genötigt ist, für ihre Nutzung ein Entgelt an diejenigen zu zahlen, die vor ihm da waren und auf irgendeinem Wege zu ausschließlichen Rechten am Boden und den übrigen natürlichen Ressourcen gekommen waren. Schon der Liberale J. S. Mill hatte festgestellt:

„Es ist für niemanden eine Bedrückung, ausgeschlossen zu sein von dem, was andere hervorgebracht haben. Sie waren nicht verpflichtet, es für seinen Gebrauch hervorzubringen, und er verliert nichts dabei, dass er an Dingen keinen Anteil hat, welche sonst überhaupt nicht vorhanden sein würden. Allein es ist eine Bedrückung, auf Erden geboren zu werden, und alle Gaben der Natur schon vorher in ausschließlichen Besitz genommen und keinen Raum für den neuen Ankömmling freigelassen zu finden.“1

Die heutige Eigentumsordnung am Boden und den übrigen natürlichen Ressourcen wurde also von den Bodenreformern als eine Vorrechts-Ordnung, als eine Privilegienordnung angesehen, in der diejenigen, die keinen Anteil an ihr haben, an diejenigen, die vor ihnen da waren, gleichsam Eintritt zahlen bzw. einen laufenden Tribut – die sog. Bodenrente – entrichten müssen, um auf der Erde überhaupt verweilen und leben zu dürfen. Darin wurde nicht nur ein eklatanter Widerspruch zu elementaren Menschenrechten, sondern auch ein grundlegender Ausbeutungstatbestand gesehen.

Dass die bei dieser Struktur sich ergebenden Verteilungskonflikte um Land, Rohstoffe, Öl, Wasser usw. bis in die Gegenwart hinein zu den wichtigsten Kriegsursachen gehören, war den Bodenreformern bewusst und für viele einer der wichtigsten Gründe für ihre Forderung nach einer Reform. Für andere standen die sich aus der Privilegienstruktur ergebenden funktionellen Probleme der Bodenordnung im Vordergrund, wie die Hortbarkeit des Bodens und die Spekulation mit ihm.

Die Reform selbst wurde in verschiedenen Varianten und in unterschiedlichem Umfang vertreten. Aber ihre Grundgedanken sind einfach und lassen sich in drei Schritten darstellen:

  1. Gemeinschaftsebene: Die ganze Erde wird als Erbteil der gesamten Menschheit angesehen.
  2. Allokationsebene: Der Einzelne kann den Boden und die übrigen natürlichen Ressourcen nutzen gegen laufendes Entgelt, wobei die Nutzungsrechte von der Gemeinschaft in Meistgebotsverfahren vergeben werden, an denen sich jeder beteiligen kann.
  3. Distributionsebene: Die Einnahmen, die die Gemeinschaft dadurch erhält und die den ökonomischen Gegenwert der Nutzungsrechte darstellen, verteilt sie gleichmäßig pro Kopf der (Welt-) Bevölkerung zurück. Für den, der nicht mehr und nicht weniger Boden als der Durchschnitt seiner Zeitgenossen in Anspruch nimmt (2. Ebene), ist dessen Nutzung im Ergebnis kostenlos, weil das Nutzungsentgelt, das er dafür bezahlen muß, dem Betrag entspricht, den er als gleicher Mensch bei der Rückverteilung erhält. Damit ist das große Ziel der Bodenreformer, jedem Menschen bei aller Unterschiedlichkeit der Nutzung ein gleiches Recht an der Erde als ganzer zu sichern, erreicht. Auf dieser Grundlage kann jeder, auch der ökonomisch Leistungsunfähige, am Wettbewerb um die Boden- und sonstigen Ressourcennutzungsrechte teilnehmen. So wird der Gleichheit aller Menschen als Teilhaber wie auch ihrer Verschiedenheit als Nutzer sowie der Notwendigkeit einer effizienten Ressourcennutzung Rechnung getragen.

Mit der 1. Ebene wird eine Grundzuständigkeit der Gemeinschaft für die Erde und ihre Naturreiche begründet. Aus ihr folgt die Zuständigkeit der Gemeinschaft auch für die Festlegung von Art und Umfang der zulässigen Nutzung des Bodens und der übrigen Natur. Dazu gehören nicht nur Stadt- und Landesplanung, sondern auch die aus ökologischen Gründen notwendigen Begrenzungen der Nutzung der Natur, heute also z. B. die Festlegung von Grenzen für die weltweite Emission von CO2.

Damit ist jedoch noch nicht festgelegt, wer zur Nutzung der einzelnen Grundstücke und sonstigen Ressourcen berechtigt sein soll. Diese Frage wird auf der 2. Ebene beantwortet. Dabei richtet sich das Verfahren der Vergabe von Nutzungsrechten nach der Art der natürlichen Ressource. Beim Boden wurden vor allem Pacht und Erbbaurecht, aber auch steuerliche Lösungen (Abschöpfung der Bodenrente durch eine entsprechend ausgestaltete Bodensteuer) befürwortet und in vielen Gemeinden durch eine aktive Bodenpolitik umgesetzt.

Die Versteigerung von Pacht- und Erbbaurechten in offenen Verfahren führt dazu, dass die Inhaber der Nutzungsrechte deren ökonomische Vorteile, die im Pacht- bzw. Erbbauzins ihren Ausdruck finden, mit diesem an die Gemeinschaft abführen müssen. Aus Privilegien werden so einfache Nutzungsrechte, die nicht mehr um ihrer selbst, sondern nur noch um der Nutzung willen angestrebt werden. Niemand neidet mehr dem anderen seinen Besitz, da dieser sich ganz aus der Nutzung, d. h. aus der gegenwärtigen Tüchtigkeit des anderen rechtfertigt.

Da Besitz ohne (ausreichende) Nutzung zur Last (= Abgabe ohne Erträge/Nutzen) wird, ist er auch kein Gegenstand der Habgier mehr. Mit dem Kapitalwert verliert der Boden zugleich seinen Charakter als Beute und entfällt damit als Kriegsgrund. Er wandert infolge der Belastung „zum besten Wirt“ – natürlich im Rahmen der auf der 1. Ebene festgelegten Grenzen der zulässigen Nutzung, so dass die ökologischen Grenzen gesichert bleiben. Hortung und Spekulation entfallen. Eine optimale Allokation ist gewährleistet.

Die Entfeudalisierung, die so erreicht wird, macht zwar die Erde zur gleichberechtigten, vorrechtsfreien Entfaltungs- und Nutzungsgrundlage für alle Menschen – allerdings nach dem Maßstab ihrer Fähigkeit, Tüchtigkeit und Kraft zur Nutzung der Ressourcen. Leben muss aber auf der Erde auch der weniger Tüchtige, auch der, der, weil er eine kulturelle Berufung in sich verspürt, aus der Nutzung der natürlichen Ressourcen keinen geldwerten Vorteil zieht. Schließlich haben auch diejenigen ein selbstverständliches Daseinsrecht, die zur Ressourcennutzung gar nicht in der Lage sind. Sie alle müssen befürchten, durch die ökonomisch Tüchtigen an den Rand der Gesellschaft gedrängt und von den natürlichen Daseinsgrundlagen abgeschnitten zu werden. Deshalb darf die Bodenreform an dieser Stelle nicht stehen bleiben.

Die Reform wird deshalb abgerundet und vollendet durch eine 3. Ebene, auf der die Gemeinschaft über die Verwendung der ihr zufließenden Nutzungsentgelte entscheiden muss. Den meisten Vorschlägen dazu liegt der Gedanke zu Grunde, dass jedem Menschen ein gleicher Anteil an diesen Nutzungsentgelten zusteht und so, d. h. durch eine gleichmäßige Rückverteilung der eingehenden Nutzungsentgelte pro Kopf der (Welt-) Bevölkerung, das gleiche Teilhaberecht aller Menschen an der Erde verwirklicht werden soll.

„Nach der Bodenreform kommt jedes Kind als Grundbesitzer zur Welt“, sagte der Bodenreformer Silvio Gesell. Die Erde wird dann nicht mehr als eine Welt der Privilegien im Erbwege von Generation zu Generation weitergewälzt, vielmehr wird das Erbrecht in Bezug auf unsere natürlichen Daseinsgrundlagen durch eine menschenrechtliche Gestaltung der Verhältnisse abgelöst. Die Verteilungsfrage wird dann nicht mehr durch die Vergangenheit präjudiziert, sondern entscheidet sich nach Maßstäben der Gegenwart unter den Lebenden.

Die Erde wird dann nicht mehr als eine Welt der Privilegien im Erbwege von Generation zu Generation weitergewälzt, vielmehr wird das Erbrecht in Bezug auf unsere natürlichen Daseinsgrundlagen durch eine menschenrechtliche Gestaltung der Verhältnisse abgelöst.

Die drei Ebenen hängen auf vielfältige Weise zusammen und stützen sich wechselseitig. So stärkt z. B. die Belastung des Besitzes auf der 2. Ebene die Funktionsfähigkeit der Planungsinstanzen der 1. Ebene: denn weil die Belastung den planungsbedingten Änderungen der Nutzbarkeit des Bodens angepasst wird, entfallen die heutigen, starken Anreize für die Bodenbesitzer, die Planungsinstanzen zur Begünstigung ihres Grundbesitzes zu drängen, also etwa zur Umwidmung ihres Ackerlands zu Bauland. Die Bodenordnung wird dadurch planungsneutral.

Mit der gleichmäßigen Rückverteilung der Nutzungsentgelte (3. Ebene) wird dem Einzelnen auch die Angst genommen, bei der Vergabe der Nutzungsrechte (2. Ebene) nicht mithalten zu können und – etwa als Folge ökologischer Politik – durch steigende Nutzungsentgelte an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden. Da sich jeder Mensch auch ohne den geringsten Leistungsbeitrag allein aus der Rückverteilung vom ersten bis zum letzten Atemzug eine durchschnittliche Boden- und Ressourcennutzung leisten kann, wird seine Bereitschaft, als demokratischer Bürger die ökologisch notwendigen Begrenzungen der Naturnutzung mitzutragen (1. Ebene), nicht mehr durch solche Angst beschränkt.

Der Staat der 1. Ebene wird so, also durch die 3. Ebene, zu einem ökologisch handlungsfähigen Akteur. Die demokratischen Mehrheiten, die er braucht, werden ihm nicht gleich verloren gehen, wenn ökologische Politik zu einer Verteuerung der Nutzung der natürlichen Ressourcen führt!

 

Die Übertragbarkeit dieser Grundgedanken auf das Klimaproblem wird in einer Fortsetzung untersucht.

Eine ausführliche Behandlung des Boden- bzw. Ressourcenproblems nach den drei Ebenen findet sich in den Aufsätzen des Verfassers „Die drei Funktionsebenen der Bodenordnung und ihre Zusammenhänge“ in Heft 245 der Schriftenreihe Fragen der Freiheit und „Wieviel Erde braucht der Mensch?“ in Heft 257, die beide unter http://www.fragen-der-freiheit.de/ zum kostenlosen Download zur Verfügung stehen oder beim Seminar für freiheitliche Ordnung, Badstraße 35, 78087 Bad Boll, E-mail: info@sffo.de bestellt werden können.

1 J. S. Mill, Politische Ökonomie, Buch II, Kap. II, § 6